Zum Auftakt des 500-jährigen Jubiläums wird die Fuggerei zur Bühne: Unter dem Motto „Fuggerei Next 500“ kommen während des Jubiläumsjahrs Denkerinnen und Aktive aus Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Religion und Politik sowie der Fuggerei zusammen und sprechen über große Herausforderungen unserer Zeit. Mit den zwei Panels zu den Themen „Bedürftigkeit meistern“ und „Lebensraum schaffen“ startete das Format im Rahmen der Fuggerei-Festwoche im August 2021. Nun auch erstmals anzuhören als Podcast unter: www.fuggerei-next500
Bedürftigkeit hat viele Facetten. Es geht oft um mehr, als ein Dach über dem Kopf zu haben oder Essen auf dem Tisch, es geht auch um Gemeinschaft, Würde und Lebenshilfe. Moderiert von Jutta Prediger (Bayern 2) kamen Stimmen aus der Fuggerei, dem sozialen Sektor und der Wirtschaft zusammen, um über die verschiedenen Facetten von Bedürftigkeit zu sprechen. Im Gespräch wurde deutlich, wie sehr das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Unterstützungsangebote den Bewohnern der Fuggerei helfen. „Ich lerne hier, dass es auf mich als Mensch ankommt“, schildert Noel Guobadia. Er ist ein jüngerer Bewohner in der Fuggerei und spricht vom besonderen Geist im Miteinander in der ältesten Sozialsiedlung der Welt. So hilft er älteren Mitbewohnern im Umgang mit digitalen Endgeräten, so dass Christine Thoma, ebenfalls Bewohnerin der Fuggerei, sich als Seniorin im Umgang damit nicht abgehängt fühlt. Dieser generationenübergreifende Austausch, auch über ganz praktische Fähigkeiten und Erfahrungen hinausgehend, ist Alltag in der Fuggerei. Insbesondere für ältere Bewohner, die womöglich in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, tragen die Gemeinschaftserfahrungen zur Stabilisierung des Lebens bei. „Unsere Gemeinschaft schenkt den Bewohnern der Fuggerei Lebensqualität, Freude und Zufriedenheit“, erläutert Doris Herzog, Sozialpädagogin der Fuggerei. Martin Schenkelberg, Sozialreferent der Stadt Augsburg hebt hervor: „Wir sind als Stadt dankbar für dieses tolle Projekt, was hunderte Jahre überdauert hat. Die Fuggerei ist ein Erfolgsbeispiel ohne gleichen“, und hofft in der Zukunft auf noch mehr Fuggereien.
Anschließend blickte das zweite Panel unter dem Motto „Lebensraum schaffen“ auf die Gegenwart und Zukunft des Wohnens und Bauens. Wachsender Zuzug in die Städte macht Wohnraum knapp und lässt die Mieten steigen. Für immer mehr Menschen wird das zum Problem. Wir müssen „bauen, bauen, bauen“, fordert Dr. Mark Dominik Hoppe, Geschäftsführer der Wohnbaugruppe Augsburg und weist zugleich auf die Herausforderungen durch Rohstoffknappheit und eingeschränkte Transportwege hin. Auch Tobias Sauerbier, Managing Director von SIGNA Real Estate, verweist auf die Bedeutung von Neubauten und sieht Handlungsbedarf beim Gesetzgeber und den Verwaltungen. Er erläutert: "Derzeit überfrachten die Kommunen den Wohnungsbau mit starren Quoten und Vorschriften. Das ist kontraproduktiv und verhindert Bauaktivität oder lässt sie auf andere Standorte ausweichen. Flexibilität und Augenmaß und das politische Ziel einer sozialgerechten Stadtentwicklung schließen nach meiner Überzeugung einander nicht aus.“
Theresia Gräfin Fugger v. Glött, Mitglied des Fuggerschen Familienseniorats betont die Wichtigkeit nicht nur reinen Wohnraum zu schaffen: „Was die Fuggerei zusätzlich auszeichnet, ist unser kuratierter Lebensraum. Betreuung und Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner sind ebenso wichtig“, sagt sie. Auch Sozialreferent Martin Schenkelberg hebt diesen Aspekt hervor. Der optimale Lebensraum ist für ihn gekennzeichnet durch eine funktionierende Nachbarschaft. Ein Mix aus Menschen verschiedener Hintergründe kann dies laut Schenkelberg befördern. Die Fuggerei macht seit 500 Jahren vor, wie das Zusammenleben in einer Sozialsiedlung gelingen kann. Sven Thorissen, Deutschland-Direktor des Architekturbüros MVRDV, sieht gerade in diesem fuggereispezifischen Ansatz Inspiration für die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus. „Ob die Anordnung der Straßen, ein Brunnen als Treffpunkt oder ein spiritueller Raum, all dies trägt zur Umsetzung des `Fuggerei-Codes´ bei, dessen Elemente auch auf potentielle neue `Fuggereien der Zukunft´ übertragen werden sollten“, so Thorissen.
Die nächsten Panels im Rahmen der Jubiläumsfestwoche zu den Themen „Humanistische Werte garantieren“ und „Spiritualität entwickeln“ werden ebenfalls unter www.fuggerei-next500.de abrufbar sein.